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Dienstag, 2. Dezember 2008

Das Schneeflöckchen und der Taschendieb

Es begab sich zur Adventszeit, in der ich täglich eine lange Strecke zur Arbeit zurücklegen musste.
Kein Tag verging, an dem nicht mindestens einmal die Lautsprecher in der überfüllten Straßenbahn verkündeten: Liebe Fahrgäste, bleiben Sie auf der Hut, es sind wieder vermehrt Taschendiebe unterwegs."
Mich kümmerte die Durchsage nicht. Ich hatte nie viel mehr bei mir als meine Träumereien, und die lassen sich ja nicht stehlen.
Eines frühen Abends sah ich die Darsteller dieser Geschichte, als ich von meinem Fensterplatz aus ins Schneetreiben hinausblickte, vor mir.

Eine stattliche Dame stand an der Tramhaltestelle am Marktplatz, beladen mit Papiertüten, die proppenvoll mit bunten Weihnachtskugeln gefüllt waren. Pausbackig und stoisch stand sie da. In ihrem purpurroten Mantel sah sie selbst einer Riesenweihnachtskugel ähnlich.
Nichts schien an sie heranzukommen, außer einem, der in diesen Tagen fleißig sein Unwesen in Basels reichlich bevölkerten Straßen trieb:
Der berühmt-berüchtigte Taschendieb Mr Krähenklaue.
Verstohlenen Schrittes schlich sich die düstere, hagere Gestalt, die schwarze Baskenmütze tief ins Gesicht gezogen, von hinten an die Dame heran.
In ihrem parfümumwölkten Mantelkragen glitzerte ein weihnachtlich anmutendes Schneekristallsternchen, das Mr Krähenklaue in seiner Gier irrtümlicherweise für einen besonders wertvollen Diamanten hielt.
Blitzschnell und geübten Griffes packte der Langfinger zu und ließ die winzige Beute in seiner dunklen Manteltasche verschwinden.
Die Weihnachtskugeldame betrat kurz darauf nichts ahnend, in ihrer Parfümwolke schwebend, die Tram Richtung Barfüßerplatz.
Den tanzenden Geschwisterchen des armen, unschuldigen Schneeflöckchens jedoch war diese Szene nicht entgangen.
In stillschweigender Übereinkunft beschlossen sie gemeinsam, dem Wüstling der sich so erbarmungslos an ihrer kleinen Schwester vergriffen hatte, eine gehörige Lektion zu verpassen.
Im Nu kamen sie herbeigeflogen, zu Tausenden und Abertausenden. Ein dichtes Schneegestöber wurde in Sekundenschnelle zu einer einzigen weißen Wolke, die den Tunichtgut vollends umhüllte. Von allen Himmelsrichtungen kamen sie herbeigesaust und pappten sich erbarmungslos an Mr Krähenklaue fest.
An der Tramhaltestelle am Marktplatz stand kurz darauf ein riesiger, hagerer Schneemann. Einzig die schwarze Baskenmütze lugte ziemlich schief zuoberst aus ihm heraus.
Er bot einen recht erbärmlichen Anblick dar.
"Vermutlich, weil er keine Rübennase hat", dachte sich die Gemüseverkäuferin, die am Abendverkauf ihre Bio-Karotten feilbot.
Sie erbarmte sich seiner, griff nach der fettesten Rübe und stieß sie dem armen Wicht tatkräftig ins Gesicht. Dabei traf die Rübe mit voller Wucht auf Krähenklaues Nasenspitze, worauf der verwunschene Schneemann jämmerlich aufheulte und – sehr zum Erstaunen der Marktfrau – über den Marktplatz in die Freie Straße hinein davonrannte.
Das war ein Riesengaudi!
Groß und Klein, das gesamte Fußvolk der Innenstadt, beladen mit Päckchen und Weihnachtsbäumen, jagte dem dahinfliehenden Schneemann hinterher, der um sein Leben rannte.
Und da - es musste ja so kommen! - prallte er frontal mit einer aus der entgegenkommenden Richtung daherschreitenden Passantin zusammen. Und wie es der Zufall so wollte - es war die stattliche Dame im purpurroten Mantel!
Ihre Papiertüten platzten, und eine bunte Schar großer und kleiner Weihnachtskugeln kullerte fröhlich über den weißen Schneeteppich, wo sie zu funkelnden Mosaiksteinchen zerbarsten. Mittendrin aber stand die Weihnachtskugelfrau und vergoss bittere Tränen. Kugelrund purzelten sie aus ihren weit aufgerissenen blauen Sternenaugen.
Bei diesem rührenden Anblick verspürte Mr Krähenklaue zum ersten Mal in seinem Leben so etwas wie Reue. Sein Herz erbarmte und erwärmte sich, was zur Folge hatte, dass sein Schneekostüm im Nu dahinschmolz.
Und siehe da, die Tränen der Weihnachtskugelfrau versiegten augenblicklich.
Welch ein Wunder!
Da verwandelte sich doch tatsächlich vor ihren Augen ein Schneemann in einen leibhaftigen Menschen! Es erschien ihr beinahe wie im Märchen vom Froschkönig!
Vergessen waren die Weihnachtskugelscherben.
Vor knapp einem Jahr hatte ihr Ehemann sie verlassen, hatte sich einfach so mir nichts, dir nichts mit dieser Tussie aus der Nachbarwohnung aus dem Staub gemacht.
Seither versuchte sie, ihren Kummer zu vergessen, indem sie sich tagtäglich mit neuen Einkäufen der sonderlichsten Art tröstete.
Nun schienen die Weihnachtskugelscherben ihr Glück gebracht zu haben!
Eiligst packte sie Mr Krähenklaue am Arm und begab sich, die große Runde staunender Zuschauer hinter sich lassend, mit ihm zur Apotheke an der Schifflände. Dort war sie als treue Kundin für immer neue Heilmittelchen bestens bekannt und geschätzt. Sie kaufte eine Salbe, mit der sie liebevoll Mr Krähenklaues Nase pflegte, die nun nicht mehr rübenfarben, sondern vielmehr veilchenblau war.

Kurz darauf schritt ein ungleiches Paar, gemächlich ineinander eingehakt, via Mittlere Brücke und verschwand im Schneetreiben.
Unterwegs hielten sie inne und blickten versonnen übers Brückengeländer den Schneeflöckchen nach, die munter und still in den schwarz dahinfließenden Rhein tanzten.
Ein winziges Weihnachtsglitzersternchen verfing sich im parfümumwölkten Mantelkragen der Frau.
Doch Mr Krähenklaue ließ es dort liegen, weil er fand, dass es sehr hübsch dorthin passte.

Miriam

Sonntag, 26. Oktober 2008

Liebevolle Worte


Worte
ohne Hast
gesprochen und geschrieben
Atem frei von Last
lieben

Miriam

Samstag, 18. Oktober 2008

Gaukleroptik

Der Eiffelturm, der hatte es satt,
nur so rumzustehen in seiner Stadt.

Deshalb beschloss er kurzerhanden,
einfach nach Flandern auszuwandern.

Zwischen Hügeln und Feldern ruhte er aus.
„Wie herrlich - weit und breit nicht ein einziges Haus“.

Nur einem kleinen Regenwurm
begegnete der Eiffelturm.
Auch dieser fand es gar nicht mehr schön,
die Welt immer nur von unten zu sehn.

Und so kletterte er - das ist kein Witz -
den Turm hinauf, bis auf die Spitz.

Endlich oben angekommen,
war der Kleine ganz benommen.
Doch das war ihm einerlei,
denn schließlich war er schwindelfrei.

Er schaute sich erstmal gründlich um,
er streckte sich lang, er reckte sich krumm.

Weit hinten erblickte er ein Land,
winzig, wie aus aus einer Kinderhand.
„Dort unten möcht ich zu Hause sein,
dann muss ich nie mehr der Kleinste sein“.

Und so rutschte er frisch und munter
auf der anderen Seite wieder hinunter.

Der Eiffelturm, jedoch, der wusste,
wie das alles enden musste.

„Aus der Ferne sieht alles ganz anders aus,
darum geh ich jetzt lieber wieder nach Haus“.

Etwas beschämt kehrte er nach Paris zurück ...

Dort steht er nun wieder, zum guten Glück!

Freitag, 17. Oktober 2008

Ein tierisch kleiner Unterschied

Mein lieber Kater Theophil
er mauzt mir zu:
Ich weiss zwar viel,
doch etwas kenn ich nicht -
Ihr nennt es: Das Gedicht.

Ich geh mal sittlich davon aus:
Es handelt sich um eine Maus
die sich im Loch vor mir verkroch -
da sitz ich nun und mauz: Och Och
welch kostbares Gericht

bloss, fangen lässt's sich nicht!

Miriam